Text: Karsten Kunert
Mit dieser Fragestellung übertitelte die Gruppe „Agrarwende“ von der Initiative „Gerresheim Nachhaltig“ eine Diskussionsveranstaltung mit Bauer Georg Wolfgarten. Trotz Corona-Beschränkungen fanden 20 Interessierte den Weg nach Gerresheim, um sich rege an der Diskussion zu beteiligen.
Bereits im Vorfeld tasteten sich die Initiative mit einigen Fragen an das Thema heran:
- Was muss geschehen, damit auch morgen gesunde Lebensmittel in den Regalen zu finden sind?
- Warum geben immer mehr Bauern auf?
- Welche Barrieren liegen auf dem Weg von der konventionellen zur ökologischen Landwirtschaft?
- Wie können wir als Verbraucher*innen mit unserem Verhalten Bauern in der Region unterstützen?
Bauer Georg Wolfgarten vom Neusser Buscherhof wurde eingeladen, weil er bereits bei einer Veranstaltung in Kaarst bewiesen hat, dass er – auch für Städter*innen verständlich – sehr eindrücklich und plastisch die Situation eines Landwirts auf dem Weg vom konventionellen zu ökologischen Anbau darstellen kann.
Der Buscherhof in Neuss baut vornehmlich Kartoffeln und Zwiebeln an und versuchte es zwischenzeitlich auch einmal mit Shi-Take Pilzen. Das Motto des Hofes lautet: „Wir stellen uns gerne der Verantwortung, gesunde und sichere Lebensmittel nachhaltig zu produzieren“. Alle Produkte des Buscherhofes sind „QS“ zertifiziert, d.h. sie werden vom Erzeuger bis zum Verbraucher kontrolliert1. Seit 2-3 Jahren hat der Betrieb einen Teil seiner Produktion, wie die Schafhaltung, Legehennen oder Kürbisanbau und Tierfutter auf ökologische Landwirtschaft umgestellt bzw. hinzugenommen.
Dabei erläutert Georg Wolfgarten anhand einiger Beispiele, auf welche Hürden und Schwierigkeiten er und seine Kolleg*innen dabei stoßen. Obwohl er seine Kartoffeln biologisch anbaut, wird er nie eine Bio-Zertifizierung hierfür erhalten; denn in seiner Kartoffel-Lagerhalle wurde in 20 Jahren konventionellen Anbaus chemische Mittel eingesetzt, die das Keimen verhindern. Selbst nach intensiver Reinigung lassen sich immer noch minimale Rückstände in der Halle finden. Auf den Rat eines Öko-Beraters konnte Georg Wolfsgarten nur schulterzuckend seine Hosentaschen nach außen stülpen und fand keineswegs darin die erforderlichen 500.000 €.
Außerdem plante er den Anbau einer Kühlkammer für seine Kartoffeln, doch verzweifelte er an diesem Unterfangen, da die erforderlichen bürokratischen Antragsformulare mehrere Aktenordner füllten.
Ein benachbarter Schweinemäster, der seinen Bestand dritteln wollte, um den Tieren mehr Platz und Auslauf zu gewähren, sollte hierfür ein komplett neues, langwieriges Bauverfahren einleiten. Da hilft im Übrigen auch nicht der Hinweis auf mögliche Fördergelder zum Beispiel aus der EU. Denn kleineren Betriebe wird häufig die Zukunftsfähigkeit abgesprochen und was keine Zukunft hat, wird von den Fördertöpfen ferngehalten.
Georg Wolfgarten weiß zudem von einigen seiner Kolleg*innen, die ihre Produktion umgestellt haben und bemängelt, dass viele Vorgaben und Vorschriften – sowohl zur Umrüstung als auch zur Zertifizierung – zu viel an bürokratischem Aufwand erfordern und wenig mit der Praxis auf den Höfen zu tun hätten. Er wünscht sich, dass der Gesetzgeber die Gesetzgebung nach den praktischen Erfordernissen der bäuerlichen Landwirtschaft ausrichtet.
Das beträfe übrigens nicht Bauernhöfe, sondern führt auch dazu, dass es kaum noch Landmetzgereien gibt, die selbst schlachten. Stattdessen beherrschen Großbetriebe wie Tönnies oder VION den Markt.
Deshalb bat er auch darum, die konventionelle Landwirtschaft nicht generell zu verteufeln, denn dort sei manchmal mehr Bio drin als in so manchem bio-zertifizierten Produkt.
Wichtig für die Landwirte sind jedoch auch die regionalen Vertriebswege: Wie kommt mein Gemüse zum Verbraucher?
So beteiligt sich der Buscherhof an der Marktschwärmerei2 und betreibt am eigenen Hof eine Abholstation. Es kann über eine Internetplattform bei regionalen Erzeugern bestellt und bezahlt werden. Die Produkte werden dann zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem Ausgabeort abgeholt. Georg Wolfgarten belieferte zwar auch die Marktschwärmerei in Düsseldorf-Flingern, doch hier erwies sich der Aufwand als zu groß für den erzielten Ertrag.
Aus der Diskussionsrunde wurde noch auf das Abo-Kistensystem und auf einige funktionierende Bauernmärkte im Raum Düsseldorf hingewiesen. Mittlerweile bieten auch verschiedene Supermarktketten Lebensmittel aus regionaler Produktion an, doch bedauerte eine Diskutantin, dass die Umweltideen von „Fridays-for-future“ offensichtlich nicht an der Ladentheke umgesetzt wird. Bauer Wolfgarten bestätigt diese Auffassung mit dem Hinweis, dass nur ca. 8% der Lebensmittel in einem Supermarkt aus regionaler Produktion stammen. Und dabei bestimmen wenige große Handelsketten den Markt. Deren Einfallsreichtum zum Drücken der Erzeugerpreise ist nobelpreisverdächtig. So führen nun auch minimale Kratzer auf der Schale von Kartoffeln zu geringeren Preisen bei den Produkten und so auch bei den Einkünften der Bauern. Auch deshalb fragen sich immer mehr Landwirte, ob sich ihr Einsatz für gesunde Lebensmittel noch lohnt.
Zur Diskussion kam auch, dass man bei Kindern und Jugendlichen anfangen sollte. Denn viele Kinder wissen nicht mehr, woher die Lebensmittel kommen und was mit dem Anbau an Arbeit verbunden ist und dass die Radieschen nicht im Bündel wachsen. In Düsseldorf gibt eine Reihe von Maßnahmen und Punkten, an denen man ansetzen könnte. Dabei ist allerdings der seh informative, große, zentrale Schulgarten in Hamm für die Gerresheimer Schüler*innen kaum erreichbar. Ansatzpunkte wären einzelne, schulbezogene Schulgärten und Kooperationsprojekte mit z.B. Kleingartenanlagen (siehe z.B. OGATA Heyeschule-Balderberg).
Georg Wolfgarten weist auf Angebote der Landwirte hin, die zwar Schulklassen einladen und Busse als auch Versicherungen übernehmen, doch dass dieses Angebot von Schulen kaum genutzt wird. Es wird gemutmaßt, dass viele Lehrer*innen aufgrund der damit verbundenen bürokratischen Hürden keine „Ausflüge“ mehr anbieten bzw. sich für Ausflüge bereitstellen.
Eine Diskutantin weist auf das Angebot der Düsseldorfer Waldschule hin, deren Neubau am 5.7.2019 eingeweiht wurde und die mit den Schulen, die beim Düsseldorfer Nachhaltigkeitsprojekt mitmachen, zusammenarbeitet3.
Die Erfahrungen mit biologischer Kita-,Schul – und Uni-Mensakost sind wenig euphorisch. Die Anforderungen an das Signet „Bio-Caterer“ sind offenbar denkbar gering. Außerdem findet neben dem Bio-Catering ein großer Zulauf in die umliegenden Döner- und Frittenbuden statt – auch in diesem Zusammenhang wird die Diskrepanz zwischen dem Anliegen von„Fridays-for-future“ und dem jeweiligen Alltags-Handeln offensichtlich.
Auf die kritische Frage aus dem Publikum, ob „Gerresheim Nachhaltig“ auch konkrete Projekte angeht, zählte Marianne Gecke-Düll einige Veranstaltungen und Aktionen auf, die im ersten Halbjahr 2022 geplant sind.
- So wird es am 14. Januar eine gemeinsame Veranstaltung mit der Verbraucherzentrale zum „Energieeinsparen im Alltag“ geben, wohlwissend, dass die Haushalte (nicht Industrie oder Mobilität) die größten Energiefresser sind.
- Im Februar wird es eine Aufzuchtaktion – Arbeitsgruppe von Obst und Gemüse für Garten und Balkon geben.
- Neben Gartenbesuchen im Mai im Rahmen der „Kleinen offenen Gartenpforte“ wird es auch eine Samen- und Pflanzentauschbörse geben.
- Außerdem wird – wohl ebenfalls im Mai – eine Schnibbelaktion veranstaltet. Dort soll Gemüse, das ansonsten wegen seiner „Un“-Form im Feld untergepflügt wird, da es nicht gekauft wird, schmackhaft in der Fußgängerzone Gerresheims zubereitet . Bauer Georg Wolfsgarten hat sich spontan bereit erklärt, entsprechendes Gemüse beizusteuern.