Wildbienen sind im Ökosystem unverzichtbar

Dieser Artikel wurde von Lika Weingarten für die Düsseldorfer Umweltzeitschrift grünstift geschrieben. Wir freuen uns, ihn übernehmen zu dürfen, weil er gut zu anderen Aktivitäten unserer Initiative passt.

Von Honigbienen gibt es weltweit neun Arten; zur Honiggewinnung wird nur die Westliche Honigbiene (Apis mellifera), die wiederum 20 Unterarten hat, eingesetzt. Dagegen gibt es weltweit rund 20.000 Wildbienenarten, in Europa davon etwa 2.200 und in Deutschland 570. Unsere heimischen Arten können bis zu 3 Millimeter klein sein und sind oft überhaupt nicht als „Biene“ zu erkennen. Sie alle gehören aber zu den Echten Bienen.

Unterschiedliche Lebensweise

Die Honigbienen bilden einen Staat aus, der mehrere tausend Tiere umfassen kann. In einem faszinierenden Zusammenspiel sichern sie das mehrjährige Überleben ihres Volks, indem sie Nektar und Pollen als Nahrung für alle sammeln, und indem sie ihr „Haus“ erhalten und verteidigen. Mutter des gesamten Bienenvolks ist die Königin, die durch ständige Eiablage den Nachwuchs sichert, der dann von den Arbeiterbienen gepflegt wird. Die Königin lebt dabei mehrere Jahre, während die Arbeiterinnen im Sommer schon nach wenigen Wochen sterben.

Bei den Wildbienen sind es nur die Hummeln, die auch einen Staat mit Königin und bis zu 600 Tieren bilden. Sie sterben aber alle im Herbst; nur die Jungköniginnen überleben und gründen im nächsten Jahr ein neues Volk. Auch Hummeln sammeln Nektar und Pollen als Vorrat.

In der Regel sind Wildbienen aber Solitärbienen. D.h. jede einzelne weibliche Biene pflanzt sich fort und kümmert sich alleine um den Nachwuchs. Für den braucht sie eine sichere Unterkunft: Sie sucht vorhandene Löcher in einem Baum, bohrt einen markhaltigen Stengel auf oder gräbt einen Gang in den Erdboden. Dort hinein kommt eine Portion Pollen und Nektar und darauf ein Ei. Oft werden mehrere solcher Brutzellen hintereinander angelegt, am Schluss wird der Eingang verschlossen. Nachdem sie dies bis zu 30 Mal wiederholt hat, stirbt die Biene.

Nutztier und Wildling

Die heute von uns eingesetzten Honigbienen sind Nutztiere und das Ergebnis von Züchtung. Sie sind nicht aggressiv und bilden große Völker von bis zu 60.000 Tieren aus, die frei nicht mehr überleben können. Wichtig ist der Honigertrag, den sie einbringen, vor allem aber ihre Leistung als Bestäuberinnen: Von Berufsimkern werden sie zu den Fruchtfeldern und Obstplantagen im Erwerbslandbau hingefahren, sobald diese massenhaft aufblühen. Die Bienen fliegen dann meist 500 Meter weit.

Wie die Honigbienen sind auch viele Wildbienen „Generalisten“, einige haben sich aber auf eine bestimmte Pflanzenart als Pollenspender spezialisiert: Manche sammeln z.B. nur an Glockenblumen, andere nur an Wilder Möhre. Wildbienen fliegen auch ungern weiter als 300 Meter, denn dann lohnt der Aufwand nicht mehr. In einer abwechslungsreichen Agrarlandschaft finden alle Arten aber genügend Nahrung. Vor allem Grünland mit magere Wiesen bietet ihnen von Frühjahr bis Herbst reichlich Blüten. Mit der industriellen Landwirtschaft sind solche Flächen selten geworden. Entsprechend ist die Zahl der Wildbienenarten zurückgegangen; die Hälfte ist aktuell in ihrem Bestand gefährdet.

Überraschender Vergleich

Dabei leisten die Wildbienen unbemerkt einen weit größeren Anteil an der Bestäubungsarbeit als ihre beliebten gezüchteten Verwandten, die nur ein Viertel davon erledigen. Die Honigbiene ist auch keine gute Bestäuberin. Sie sammelt Pollen und Nektar auf getrennten Flügen, und so überträgt sie nicht bei jedem Blütenbesuch Pollen auf die nächsten Blütenstempel.

Wildbienen machen da keinen Unterschied. Und sie fliegen länger am Tag und auch bei kühlem Wetter. Hummeln fliegen dabei die schattigen, kühleren Bereiche unten am Obstbaum an, andere Wildbienen sammeln eher im mittleren Bereich, während die Honigbiene sich überwiegend ans obere Drittel hält. Hummeln sind auch schon im Februar unterwegs.

Durch ihre Leistung sind die Wildbienen auch für den Erwerbsanbau interessant geworden. Einige Arten werden inzwischen kommerziell vermehrt und in Obstplantagen oder in Tomaten-Gewächshäusern eingesetzt. Schließlich reichen knapp 1.000 Wildbienen aus – gegenüber mehreren zehntausend Honigbienen – um einen Hektar Apfelbaumplantage zu bestäuben.

Schwierige Konkurrenz

Wenn Honigbienen auf Obstplantagen und Rapsfelder gebracht werden, besuchen sie auch die kleineren Blühflächen in nächster Nachbarschaft. Dort sammeln aber auch Wildbienen. Die Honigbienen werden anschließend zu einem anderen blühenden Feld gefahren – diese Möglichkeit haben die Wildbienen am Ort nicht. Wo zwei Wochen lang ein Honigbienenvolk alles absammelt, bedeutet das den Verlust von rund 1.470 Wildbienen-Brutzellen.

Im Sommer, wenn die Hauptblüte vorbei ist, wird es eng für alle Bienen. Nur die Magerwiesen blühen dann noch, die meist naturnah bewirtschaftet werden oder in Naturschutzgebieten liegen. Naturschützer meinen, die besonderen Investitionen in solche Flächen sollen den heimischen wilden Arten zugute kommen. Sie wollen die Wildbienen bevorzugt fördern, da diese vor allem Wildpflanzen bestäuben und so für das ganze Ökosystem wichtig sind.

Auch in den Städten gibt es das Problem: Immer mehr Hobbyimker*innen machen mit ihren Völkern den Wildbienen Konkurrenz. Das Potential, kurzgeschorenen Rasen in Wildblumenwiesen umzuwandeln, wird weder vom Gartenamt noch von Firmen oder Privatleuten ausreichend wahrgenommen. Aber erst eine reiche Blühlandschaft mit Blüten unterschiedlicher Pflanzenfamilien ist ein Lebensraum, in dem Wildbienen und Honigbienen nebeneinander auskommen können.

Quelle: Pollichia-Kurier 2018, 2